Retusche ist allgegenwärtig. Das Projektteam Mittagskogel 365+1 hat das Monat April als Monat der "Retusche" ausgerufen. Bewusste Manipulation, ästhetisch fragwürdige Veränderungen sind mittlerweile fixer Bestandteil dieser Gesellschaft. Schicken Sie uns Ihr Portraitbild - wir entstellen es bis zu Kenntlichkeit.
Fotos an wahrhaft@mittagskogel.org
Mittagskogel 365+1 steht für die Veränderung des Natürlichen. Wahrhaftigkeit und Echtheit 366 Tage lang. Daraus entstehen 366 naturbelassene, nüchterne Exponate des Mittagskogels. Das Ergebnis dieses Fotoprozesses sehen sie Mai-Juni 2013 in der Ausstellung "Demaskierung der Retuschegesellschaft".
Weiß ich, was mich heute erwartet? Nein. Aber ich bin neugierig. Ein Ur-Kärntner auf der Villacher Stadtbrücke. Schaunig Anton erzählt über seine Kindheit am Berg. Jetzt lebt er in Ledenitzen, aber die Kindheit, die hat er direkt am Mittagskogel verbracht. "Wenn ma olls übern Kopf wochst, donn nimm i mein Rucksock, und ob gehts." Er ist halt in der Natur aufgewachsen, der Anton. G.E.
Wolfgang Bogner bringt eines seiner Werke mit an die Brücke. Er signiert es mir zur Erinnerung. Wir haben viele Kulturschaffende in diesem Land. Protagonisten, Einzelakteure. Sie alle machen erst des gesellschaftliche Gefüge und eine kulturelle Vielfalt aus. Danke an dieser Stelle an all jene, die ihren Beitrag leisten, ob bildnerisch, musikalisch, oder darstellend. G.E.
Kein Tag zum Einkaufen wie es scheint. Der immer wieder einsetzende Regen vertreibt die Menschen. Es ist ruhig auf der Brücke. Plötzlich steht ein Italiener neben mir. Er fragt mich ob ich Italienisch spreche. Ich verneine. Er fragt mich ob ich Französisch spreche. Ich verneine. Er fragt mich nicht ob ich Deutsch spreche. Das könnte ich bejahen. Bei der englischen Sprache treffen wir uns. Er redet trotzdem italienisch weiter. Fragt mich zu meinem Projekt und wie dieser Fluss denn heißt, über den sich die Villacher Stadtbrücke spannt. Drau heißt der Fluss - und ich buchstabiere ihm den Namen. Er bedankt sich in überschwenglicher italienischer Manier und schreitete zurück zu seiner Reisegruppe, die ich erst später, beim zurückgehen, bemerke.
Im Nachhinein bemerke ich, dass ich mich dafür schäme - diese Sprache nicht zu sprechen. Wir hätten uns so wunderbar unterhalten können. Es war zu meiner Zeit nicht üblich mehrsprachig ausgebildet zu werden. Auch in der heutigen Zeit gibt es Menschen, die anderen Sprachen skeptisch gegenüber stehen. Sehen sie sich die Landschulen an. Das ist Kärnten - Welch ein Tourismusland. G. E.
Retusche, allgegenwärtig. Nichts ist mehr wie es scheint. Wir leben in einer Welt der Verschönerung, jedenfalls der Veränderung - um Akzeptanz heischend. Wertlos ist was natürlich ist. Echtheit und Wahrhaftigkeit versus der menschlichen Retuschegesellschaft.
Das Monat April wurde daher seitens des Mittagskogel Projektteam als Monat der Retusche ausgerufen. Schicken Sie uns ihr Bild an wahrhaft@mittagskogel.org
Wir retuschieren es nach Belieben bis zur Kenntlichkeit. Ist das nicht herrlich? Die Retusche vorgeführt, an der Leine hinter uns hergezogen ... G.E.
Heute Sonja Hollauf - Herzlichen Dank
Der heutige Tag ist in mehrfacher Hinsicht ein besonderer. Viele interessante Menschen haben sich auf meiner Villacher Stadtbrücke eingefunden. Zwischenzeitlich ist uns die Idee gekommen, zukünftig Stehtische neben meiner Kamera aufzubauen. Villachs Kulturdialog, die Brückengespräche rund um Mittagskogel 365+1 nehmen interessant Formen an.
Josef Liotta, ein wandelndes Lexikon zum Mittagskogel und seiner Geschichte, hat mich auf der Brücke besucht. Der Mittagskogel Seppi, wie er liebevoll genannt wird, erzählt mir hochinteressante Details zum Berg. Wir führen schon demnächst ein ausführliches Gespräch - ich werde Sie darüber am Laufenden halten.
Weiters auf der Brücke liebe Freunde aus alten Tagen. Aus Liebenfels angereist sind Renate und ihr Mann, um den Fotoprozess aus erster Hand mitzuerleben.
Die Brückengespräche werden fortgesetzt... Freude beim Künstler ... G. E.
Drei Ziffern hält bereits meine Chronik. Mehr als 100 Tage stehe ich nun auf dieser Brücke. Ich kann Ihnen sagen, herrlich. Interessante Menschen, ähnliche Reaktionen oder einfach nur der Berg - sichtbar, unsichtbar, teilsichtbar - aber garantiert täglich anders im Erscheinungsbild und doch immer derselbe. So viele Widersprüche in sich muss man erst einmal verkraften.
Magistra Regina Steinhauser, vom Frauengesundheitszentrum Kärnten, beobachtet heute den künstlerischen Prozess und die Entstehung des 101. Bildes. Immer wieder bleiben unterdessen Menschen an der Schautafel stehen, sehen mir bei der Arbeit zu, würden gerne mit mir sprechen, getrauen sich dann aber doch nicht, oder nehmen einfach einen Sicherheitsabstand in ihrer Komfortzone ein. G.E.
Unterschiedliche Menschen und nie ist es vorhersehbar, wer oder was mich heute auf der Brücke erwartet. Selbst das Bild des Berges ändert sich in der Sekunde. Und meine Vorstellung des Vormittages, einen glasklaren Mittagskogel mit blauem Hintergrund zu fotografieren, musste ich bereits des öfteren revidieren. Parallelen zum Leben treten auf.
Der Vorstellung, dass alles planbar und in strukturierten Bahnen verlaufe, dass wir selbst unser vielzitiertes Schicksal in der Hand haben, stimmt nur bedingt. Gott sei Dank, oder glücklicherweise wissen wir niemals im Vorhinein, was uns erwartet. Und was gewesen, ist bereits vorbei.
Lernprozess in Kärnten. Mutter, Vater und Kind gehen an mir vorüber. (Kind) "Mama - wos mochtn der do?" - (Mutter) "Wonoch siehts denn aus?" - Stille ... G.E.
Meine liebe Bekannte Burgi Mauve ist mir heute wieder auf der Brücke erschienen. Sie unterstützt mich mit wertvollem historischen Material. Bilder von der Stadt Villach dem Mittagskogel und die unterschiedlichen Brückenkonstruktionen hat sie mir bereits bei ihren letzten Besuchen vorbeigebracht. Bisher kam ich einfach nicht dazu, sie zu scannen. Aber schon bald dürfen Sie eintauchen in die 1950 und 1960er Jahre.
Tina Haller, Villacher Sozialpädagogin und selbst Kunstschaffende ließ es sich nicht nehmen, ein paar Worte mit mir zu wechseln. Mitten zwischen einsetzendem Regen und den österlichen Familienbesuchen. Das heutige Bild ringt dem Betrachtenden viel Fantasie ab. Ein mystischer Mittagskogel hinter vielen Wolken. Während ich mit Tina über die Konsequenz des Fotozeitpunktes 15:00 Uhr plaudere, fragt mich ein weiterer Passant ob die Fotos bereits im Internet zu sehen wären. Nein, werte Mittagskogel 365+1 Freunde. Die Bilder, alle 366 Bilder werden erst mit Ausstellungsbeginn Mai-Juni 2013 der Öffentlichkeit präsentiert. G.E.
"Jetzt bin i zufällig vorbeigongan und jetzt lean i sie endlich mol persönlich kenan", so der Tenor einer Passantin. Sie freut sich auf die Ausstellung und über die Idee zu diesem Projekt. Irgendwie habe ich das Gefühl sie will zu Familie - und die Osterfeierlichkeiten im Kreise der Familie zelebrieren.
Die Medien sind dieser Tage voll von "Religiösem". Die Supermärkte voll von "Österlichem, -Nicht Religiösem." Vom zweitwichtigsten Absatz-Event ist da die Rede. Wenn Menschen jedoch darauf angesprochen werden - niemand von Ihnen geht hin - zum Fest OSTERN. Wer kauft da eigentlich dann, stelle ich mir die Frage. G.E.
Ein ältere Dame beobachtet mich eine Zeit lang, kommt näher und fragt mich: "Wölche Fahne isn dos?" (Anmerkung: Meine Kamera ist an einem Fahnenmast montiert.) Darauf prangt eine Fahne mit länglichen blau-weißen Streifen. Ich sage, dass ich keine Ahnung habe. Die Frage lässt mir keine Ruhe. Zu Hause angelangt, stelle ich fest, dass es sich um die "griechische Fahne" handelt. Meine Fotos entstehen, zumindest aktuell, unter der "griechischen Flagge" - bevor diese dann wieder den LEI LEI Fahnen weichen muss. Merkwürdig, denke ich so bei mir. G.E.
Die Dame sieht auf den Mittagskogel. "Do miasn de Wolkn a bisl weg, donn passts" höre ich von ihr, bevor sie eiligst weitermarschiert. G.E.
Auf meinem Wege zur Stadtbrücke komme ich an zwei zerstörten (retuschierten) Autos, einem zerstörten (retuschierten) Parkautomat und an einem niedergefahrenen (zwangsretuschierten) frisch eingesetzen Jungbaum vorbei. Da hat, wie es scheint jemand Gas mit Bremse verwechselt. Viele Tränen. Kein schöner Frühlingstag für eine Jungautofahrerin. Bild 93 ist sonnig und klar. G.E.
April im Zeichen der Retusche.
Retusche FUCK veränderungs- verhinderungs- manipulations- schönheits- veränderungs- stilisierungs- unglaublichkeits- realitätsfernes- imponiergehabe- habendes verschönerungs- gleichzeitig Verarschungs- und mit der Realität nichts zu tun habendes Photoshop verdammungswerkzeug im Monat April.
Schicken Sie uns Ihr Bild - wir zerstören es vorzüglich. Mit Mittagskogel 365+1 Garantie. Retusche bis zur „Kenntlichkeit“. Bild an wahrhaft@mittagskogel.org
Rechtliche Bestimmungen: Voraussetzung für eine Teilnahme ist es, dass Sie im vollständigen Besitz der Urheberrechte der jeweils eingesendeten Bilder sind. Gleichzeitig geben Sie mit Ihrer Zusendung des Bildes die uneingeschränkte Zustimmung zur Bearbeitung, Veröffentlichung und freien Verwendung des Original- und Retuschebildmaterials im Rahmen des Projekts Mittagskogel 365+1. Die Bilder werden auf Facebook, der Homepage Mittagskogel 365+1 und in weiterfolgenden Buchprojekten veröffentlicht. Die Verwendung und Veröffentlichung obliegt ausschließlich dem Projektteam Mittagskogel 365+1.
Bild 1 u. 2 Anneliese Kreiseder - Herzlichen Dank.
Bild 3 u. 4 Tim Legenmayer - Mille Grazie.
Bild 5 u. 6 Michaela Maria Wartbichler - Danke schön.
Das erste Quartal ist abgeschlossen. 3 Monate Fotografie und unzählige Brückengespräche haben stattgefunden. Das Projekt entwickelt sich unglaublich facettenreich. Wie denken Sie darüber? Wie denken Sie über einen Menschen, der täglich einen Berg fotografiert - über eine Retuschegesellschaft? Apropo Retuschegesellschaft - Der zukünftige Monat steht im Zeichen derselben - Sie dürfen gespannt sein. G.E.
Brückengspräche - Tag 90. Fotograf u. Künstler Wolfgang Bogner mit Radka Vrecenkova, die uns extra aus Prag besucht, steht ebenso auf der Brücke, wie Hubert Kropf und Elfriede Musch vom Kneipp Aktiv-Club Villach. Ein reger Dialog erfreut mein Herz. Stürmischer Wind kündigt eine Wetterveränderung an.
Es ist interessant, dass Objekte im Raum unweigerlich Reaktionen hervorrufen. Bänke werden beschriftet. Sitzgelegenheiten besprayt. Denkmäler beschmiert oder zerstört. Die Frage, wie lange es dauern wird, bis die Schautafel zu Mittagskogel 365+1 "verschönt" wird, ist mit heute beantwortet. Die ersten Risse tief in der Plexyoberfläche der Schautafel verweisen auf eine Handlung eines Menschen. Selbst Zeichen zu setzen. Eigentlich seltsam - ob dieser Mensch auch zur Gesellschaft etwas sagt? Seine Stimme erhebt? Oder ist dies die einzige Möglichkeit sich auszudrücken? G.E.
Auf der Brücke bin ich heute mit mir alleine. Zumindest nehme ich niemanden wahr. Dabei komme ich auf Gedanken. Ich sag sie Ihnen. Ich bin froh, dass sich der bevorstehende Frühling von unseren politischen Vertretern unbeeindruckt zeigt. Kein Wissen über und von Menschen, die dieses Land unter sich aufteilen und sukzessive den Versuch unternehmen, es zu ruinieren. Der Frühling bleibt der Frühling. Und mit ihm die Menschen. Der Frühling lässt sich nicht eines seiner Standbeine amputieren - und wenn, dann wachsen viele viele Standbeine wieder nach. In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? G.E.